Spillout Brasserie Cantillon Bruessel Lambik Lambic Geuze Gueuze Brauerei 21 – Thumbnail Spillout Brasserie Cantillon Bruessel Lambik Lambic Geuze Gueuze Brauerei 21
Brasserie Cantillon

Wilde Kunst aus der Flasche

Schwer zu bekommen und heiß begehrt: Die Biere von Cantillon gehören zu den besten der Welt. Dafür sorgt auch eine besondere Zutat, die ursprünglich nur in der Region von Brüssel vorkommt: die wilde Hefe „Brettanomyces bruxellensis“.

Es riecht nach Sumpf und feuchtem Keller, an den Decken hängen Spinnennetze und auf dem alten Holzgebälk liegt eine dicke Staubschicht. Auf den ersten Blick ein nicht gerade einladender Ort. Und dennoch strömen Bierfans aus aller Welt mit Begeisterung nach Anderlecht. Denn hier, im Herzen von Brüssel, wird das wohl begehrteste Bier der Welt gebraut. Wir sind in der Brasserie Cantillon. Eine Art Mekka für Bier-Puristen aus aller Welt. In einer Ecke diskutiert eine Gruppe Brasilianer, im Gang stehen drei Japaner, die sich konzentriert an ein Glas mit goldenem, schaumlosen Bier ohne Kohlensäure klammern und sich leise und andächtig über dessen Geschmack austauschen. Dazu überall Englisch – hier treffen sich auch die Beer-Geeks aus den USA.

Wo die wilden Hefen wohnen

Dass ein derartiger Trubel herrscht, ist das Ergebnis einer mehr als 100 Jahre alten Familientradition. Handwerkliche Braukunst, eine gute Portion Geduld und vor allem eine spezielle Zutat machen die Biere von Cantillon zu etwas ganz Besonderem: Hier wird mit regionalen, wilden Hefekulturen gearbeitet. „Brettanomyces bruxellensis“ (Oberbegriff: Brettanomyces, kurz: Brett) heißt eine davon. In natürlicher Umgebung kommt sie ursprünglich nur in der Gegend des Zenne-Tals nahe Brüssel vor. Deswegen ist diese Region namens Pajottenland auch so berühmt für einen Bierstil, der mit der Brettanomyces bruxellensis (und vielen weiteren wilden Hefekulturen und Bakterien) vergoren wurde: „Lambik“ (flämisch), bzw. „Lambic“ (wallonisch). Die Brasserie Cantillon ist eine von nur 13 Produzenten auf der Welt, die diesen Bierstil produzieren. Zwölf der Brauereien liegen direkt hier im Pajottenland, im Umkreis von 30 Kilometern.

Der Bierstil, der heute die Welt begeistert, hat in dieser Region eine lange Tradition und reicht geschichtlich gesehen vermutlich sogar zurück bis zu den römischen Invasoren in der Antike. So wurde von diesen nicht nur Angst und Schrecken verbreitet, sondern auch Kultur und Handwerkskunst in Form von Weinanbau und Bierbrauen mitgebracht. Bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts gab es im Pajottenland sehr viele kleine Brauereien, die die wilden Biere brauten. Im Jahre 1900 gesellt sich auch Paul Cantillon dazu: Als Sohn eines Getreidehändlers gründete er zunächst eine „Bierstekerij“. In den ersten 37 Jahren wurden keine eigenen Biere gebraut, sondern ausschließlich Lambik von umliegenden Brauereien eingekauft und verblendet. Das Verblenden oder Verschneiden von unterschiedlichen Lambiks ist ein wesentlicher Bestandteil im fortlaufenden Herstellungsprozess.

Die Biere von Cantillon gehören zu den gefragtesten der Welt

1938 endlich braute Paul Cantillon, gemeinsam mit seinen Söhnen Robert und Marcel, und kurz bevor diese zum Kriegsdienst eingezogen wurden, das erste eigene Bier und füllte es in Fässer ab. Es folgten turbulente Jahre, Krieg und Hitzewellen erschwerten die Arbeit. Doch Cantillon erholte sich immer wieder und produzierte bis Mitte der 1950er Jahre erfolgreich Lambiks. Als die Söhne des Gründers dann aus dem Betrieb aussteigen wollten, war nur der Schwiegersohn von Marcel, Jean-Pierre van Roy, bereit, die Brauerei in den unsicheren Zeiten, die gerade wieder herrschten, zu übernehmen.

Um den Verkauf anzukurbeln beugte er sich zunächst dem zeitgenössischen Geschmack und fing an, die Biere zu süßen, damit sie der Kundschaft besser schmecken. Doch 1978 reichte es ihm mit der unnötigen Zucker-Zugabe: Er besann sich auf den ursprünglichen, originalen Bierstil. Das Lambik durfte endlich wieder säuerlich, holzig und modrig schmecken – und auf einmal kam das auch bei der Kundschaft an. Der Ausstoß stieg und 1986 wurde Cantillon sogar erstmals in die USA exportiert. Bis heute wächst die weltweite Nachfrage stetig und kann von Jean, dem Sohn Jean-Pierres, der die Brauerei 2009 übernommen hat, nicht vollständig bedient werden.

Jean führte Cantillon in die Moderne – und in die vermutlich erfolgreichste Zeit in der Geschichte des Familienunternehmens. Die Biere von Cantillon gehören inzwischen zu den gefragtesten der Welt. Vielleicht sind es sogar DIE gefragtesten. Auf dem Schwarzmarkt wechselt eine Flasche der Belgier nicht selten für 300 Euro und mehr den Besitzer. Das liegt auch an der Limitierung: Die räumlichen Kapazitäten sind begrenzt und es wird nur in den kälteren Monaten, von Oktober bis April, gebraut. Wilde Hefe mag es so am liebsten.

Strenge Vorgaben und eine ganz besondere Herstellung – für ein einzigartiges Ergebnis

Und natürlich ist es auch die Qualität, die die Biere so beliebt macht. Es gibt genaue Vorgaben, wie ein Lambik gebraut werden sollte: Die Malzschüttung besteht aus 30–40 Prozent unvermälztem Weizen. Beim Einbrau-Prozess (er nennt sich „Turbid Mashing“ oder „slijmmethode“) wird dann – trotz des unvermälzten Weizen – möglichst viel Dextrose aus dem verwendeten Malz gezogen, um den wilden Hefekulturen ausreichend Futter für die Fermentation zu bieten. Gekocht wird schließlich mit gealtertem Hopfen, denn Hopfenaromen sind bei Lambik eher zu vernachlässigen. Nur die konservierenden Eigenschaften des Hanfgewächs sind erwünscht. Am Ende wird es magisch: Um die fertig gebraute Würze abzukühlen, wird die Flüssigkeit in ein Kühlschiff gepumpt. Dieses, oft aus Kupfer* hergestellte Becken, das meist direkt unter dem Brauerei-Dach liegt, ermöglicht es, dass die Würze über eine große Oberfläche schnell abkühlt. Über Nacht können sich so auch die Brettanomyces bruxellensis und weitere wilde Hefekulturen aus der Luft auf die Würze absetzen und langsam ihre Arbeit aufnehmen …

Das Verblenden ist eine besondere Herausforderung

Am nächsten Morgen wird die infizierte Würze in unterschiedliche Holzfässer gepumpt. Jetzt übernehmen Hefe, (z.B. Milchsäure-) Bakterien und vor allem Zeit das Steuer zur Reifung. Für ein Jahr, für zwei oder drei. Während dieser Zeit entwickelt sich das Lambik, wird mit dem Alter intensiver, holziger, wilder und charaktervoller. Zum Abschluss ist dann die sensorische Fähigkeit und die Erfahrung des Brauers bzw. Blenders gefragt. Und hier werden auch die Unterschiede des Bieres deutlich. Denn es gibt zwei Möglichkeiten, ein Lambik weiterzuverarbeiten: Entweder wird ein Jahrgang mit Früchten wie Kirschen oder Himbeeren für etwa sechs Monate erneut im Holzfass vergoren oder es wird direkt ein Blend gemacht. Hierfür werden die 1-, 2- und 3-jährigen Lambik so vermischt, dass eine optimale geschmackliche Harmonie aus Säure, Holzigkeit und Zitrusfrucht entsteht. Das Blending ist immer wieder eine Herausforderung, denn Lambik entwickelt sich in jedem Fass anders. Hier eine möglichst konstante Qualität zu erzielen ist höchste Handwerkskunst, für die es viel Erfahrung braucht. Die Brasserie Cantillon zählt hier unbestritten zu den Meistern.

Jedes Bier ein Erfolg

So ziemlich jedes von Jean-Pierre entwickelte und produzierte Bier wird von der Fangemeinde und den Beer-Geeks gefeiert und findet auch bei Biersommeliers und Gourmets höchsten Anklang. Ganz gleich, ob es sich um ein reines Lambik, ein Kriek**, ein Framboise*** oder eine Gueuze handelt. So nennt man ein Lambik, wenn es aus den unterschiedlichen Jahrgängen verblendet und für weitere sechs Monate einer Flaschenreifung unterzogen wurde. Dabei entwickelt sich das Bier weiter und es entsteht eine prickelnde Kohlensäure.

Um zu verdeutlichen, dass kein Zuckerzusatz bei der Herstellung verwendet wurde, und auch wirklich ein Blend aus drei unterschiedliche Lambik-Jahrgängen verblendet wurde, wird eine echte Geuze auch „Oude Geuze“ genannt. Dieser Begriff ist von der EU geschützt. Doch nicht jede Lambik-Brauerei oder -Blenderei verwendet ihn. Auch Cantillon nicht. Denn Jean-Pierre ist eigensinnig und ein wenig sturköpfig. Wie ein Künstler. Ein Vergleich, der durchaus passt: Denn die Biere, die Jean-Pierre Van Roy hier in der Brasserie Cantillon produziert, kann man ohne zu übertreiben als echte Kunstwerke bezeichnen. 

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