Jennie Robinson-Schuré, Alles Elbe. – Thumbnail Jennie Robinson-Schuré, Alles Elbe.
Kausal regional

„Am Anfang gab es bei uns nicht mal Zitronen!“

Der Name ist Programm: Im Hamburger Brewpub „Alles Elbe“ verkaufen Jennie Robinson-Schuré und ihr Mann Nigel Robinson ausschließlich Produkte von Herstellern aus dem Elbe-Einzugsgebiet. Wir haben mit Jennie über Regionalität und zu starre Dogmen gesprochen. Und darüber, warum Tschechien der deutschen Bierszene so weit voraus ist.

Eine ruhige Nebenstraße unweit der Hamburger Reeperbahn. Nur ein schlichtes Leuchtschild mit rotem „A“ weist den Weg zu einem der besten Brewpubs der Stadt: dem „Alles Elbe“. Im Souterrain der Hein-Hoyer-Straße 63 treffen sich seit 2014 Hamburgs Brauer und Bier-Aficionados aus aller Welt. Angelockt durch die gemütliche Wohnzimmeratmosphäre, acht Zapfhähne und vor allem ein besonderes Konzept: Im „Alles Elbe“ gibt es nur Produkte aus dem Einzugsgebiet der Elbe – unter anderem eine Auswahl an tschechischen Bieren, die man so hierzulande nur selten findet.

Die tschechischen Brauer schütteln erstmal mit dem Kopf, wenn du ihnen sagst, dass du in Hamburg eine Bar mit deren Bier eröffnen willst.

Die Idee zu ihrem Brewpub hatten Jennie Robinson-Schuré und ihr Mann Nigel Robinson im Januar 2013. Damals lebten die Hamburgerin und der Neuseeländer seit sieben Jahren in Prag und wollten in Jennies Heimat zurückziehen. „Nach einem Besuch im „Pivo a Parek“ („Bier und Wurst“) – einer Prager Kneipe mit vier Zapfhähnen, allesamt mit Bieren von Dorfbrauereien rund um Prag belegt, beschlossen wir, auch einen Brewpub zu eröffnen. Ohne zu wissen, ob das in Hamburg überhaupt ein Thema ist und funktioniert. Die tschechischen Brauer jedenfalls haben alle mit dem Kopf geschüttelt, als sie hörten, dass wir in Hamburg eine Bar mit deren Bieren eröffnen wollen“, erinnert sich Jennie und lacht.

Strenges Konzept an langer Leine

Als die beiden das „Alles Elbe“ im Oktober 2014 auf St. Pauli eröffnen, schwappt der Craft-Beer-Trend gerade erst nach Deutschland rüber. „Wir brauchten ein Alleinstellungsmerkmal“, sagt Jennie. „Nigel hatte dann die Idee, nur Produkte aus dem Einzugsgebiet der Elbe anzubieten – vom tschechischem Bier über Wurst aus Hamburg bis zum Apfelgriebenschmalz aus der Nordheide“ Ein innovatives Konzept, das aber auch seine Tücken hatte: „Es gab bei uns im ersten Jahr nicht mal Zitronen, weil die nunmal nirgendwo an der Elbe wachsen. Den Gin-Tonic haben wir dann mit Gurke gemacht.“

Inzwischen haben Jennie und Nigel das Konzept etwas aufgeweicht. Die Zutaten dürfen nun auch von weiter her kommen – solange der Herstellungsprozess im Elberaum stattfindet. „Alles andere wurde uns zu dogmatisch, so sind wir einfach nicht“, sagt Jennie. „Wenn ein Bier mit neuseeländischem Hopfen gebraut wird, der Brauer aber im Einzugsgebiet der Elbe ansässig ist, dann ist das auch okay.“ Mittlerweile gibt es sogar den regelmäßigen Event Alles Elbe geht fremd, bei dem Biere ausgeschenkt werden, die konzeptionell aus der Reihe fallen, aber dem Paar besonders gut schmecken.

Und das „Alles Elbe“ braut auch selbst. Ian von Simian Ales war Nigels Tutor, was das Brauen betrifft. Jetzt wird in den hinteren Räumen des Lokals gebraut, bei größeren Batches hilft Simian Ales in Elmshorn aus.

Wir wollten von Anfang an unabhängig bleiben. Das war nicht immer leicht.

Auf die Technik kommt es an

Angefangen hat das „Alles Elbe“ mit zwei Zapfhähnen, die mit mobilen Lindr-Anlagen erweitert wurden. Mittlerweile kommt das Bier aus acht Hähnen. Die Umbaukosten für die neue Zapfanlage lagen im mittleren fünfstelligen Bereich. Eine Investition, die nicht nur nötig, sondern auch vorausschauend war. „Der Ausschuss der alten Anlage lag bei 2,5 Litern pro Fass. Dank der Begleitkühlung liegt er jetzt bei Null“, erklärt Jennie. „Wir können außerdem schneller schenken, da kein Bier mehr schäumt. In nicht mal 30 Monaten wird sich die neue Anlage amortisiert haben.“

Die kam übrigens nicht von einem Sponsor, wie es sonst in der Gastronomie oft üblich ist. Gerade kleinere Betriebe nehmen die kostenlose Außenbestuhlung, Markisen oder eben die Zapfanlagen gerne an, die von Brauereien oder anderen großen Marken angeboten werden. „Wir wollten von Anfang an unabhängig bleiben“, sagt Jennie. „Auch wenn das nicht immer leicht war. Vor allem wenn ein bekannter Limo-Konzern regelmäßig anklopft und attraktive Angebote macht.“

Wir brauchen mehr Normalität und Qualität!

Die Tschechen machen es vor: miteinander statt gegeneinander

Die Zusammenarbeit mit großen Konzernen schließt sie aber nicht grundsätzlich aus. Anders als in Deutschland ist in Tschechien die Kooperation zwischen kleinen Betrieben oder Brauereien mit den großen Namen nicht verpönt. „Groß und klein, gut und böse – so denkt man dort nicht. Niemand ist entsetzt, wenn etwa Pilsner Urquell ein ungefiltertes Bier rausbringt. Die kleinen Brauereien freuen sich einfach, wenn die großen Player mitmachen. Man tut man sich zusammen, entwickelt neue Konzepte. In Deutschland heißt es hingegen immer gleich: ‚Ha! Jetzt versuchen die, in der Szene was abzugrasen!‘ Das ist wirklich schade.“

Ein weiterer Unterschied ist, dass es Craft Beer in Tschechien von Anfang an in die Lokale geschafft hat. Das hat auch mit der traditionellen Belegung der Zapfhähne zu tun, sagt Jennie: „Die Kneipen haben meistens vier Hähne, wovon drei immer belegt sind: mit einem 10°*, einem 12° und einem dunklem Bier. Der vierte Hahn bleibt frei und wird mit wechselnden Bieren belegt.“ Das hat den kleinen Brauereien – trotz der Bindung der Kneipen an die großen Namen wie Pilsner Urquell, Staropramen oder Gambrinus – die Tür zur Gastronomie geöffnet.

Eine engere Zusammenarbeit zwischen Brauereien und Lokalen wünscht sich Jennie auch Deutschland. Vor Konkurrenz hat die zweifache Mutter keine Angst. „Ich würde mich freuen, wenn hier in der Straße noch drei Bierläden aufmachen würden“, sagt sie. „Je mehr Normalität und Qualität, desto besser!“

Uns ist es wichtig, dass hier jeder willkommen ist!“

Die Zukunft wird groß

Das „Alles Elbe“ ist in den letzten fünf Jahren gesund gewachsen, obwohl – oder vielleicht gerade weil der Brewpub keine Saufkundschaft vom Hamburger Kiez abbekommt. Der Trampelpfad zwischen Kiez und Schanze liegt eine Straße weiter – hier in der Hein-Hoyer-Straße geht es deutlich ruhiger zu. Gäste aus aller Welt kommen gezielt in den Brewpub, um sich durch tschechische und lokale Biere zu probieren.

Und das können bald sogar ein paar mehr sein, denn der Ausbau auf 20 weitere Sitzplätze soll noch dieses Jahr beginnen. Für Jennie steht fest: „Wir haben ein geiles Publikum und uns ist wichtig, dass hier jeder willkommen ist. Nur bitte keine Nazis und Sexisten!“

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